Hin und wieder wandere ich mit Kopfhörern. Ich liebe dieses Gefühl, aus dem dichten Wald hinauszutreten auf freies Feld, und just in diesem Augenblick beginnt bei Mahlers 5.Sinfonie das Scherzo, als habe die Musik auf genau diesen Moment gewartet, in dem man aus der Dunkelheit hinaus ins Licht tritt. Allerdings mache ich das nicht oft – ich bin mir durchaus bewusst, was man alles verpasst, …
… wenn man sich in der Natur freiwillig eines Sinnes beraubt. Vor allem im Wald ist das Wandern ja oft auch ein akustisches Erlebnis, wenn man sich die Mühe macht, mal etwas aufmerksamer hinzuhören. Und ab und an kurz stehen bleibt, um zu lauschen.
Im Netz kann man sich bei Sounds of the Forests auf einer Weltkarte per Mausklick in die Wälder unseres Planeten hinein hören. Überall dort, wo die Macher des Projekt (oder ihre Helfer) ihre Mikrofone aufgestellt hatten, lässt sich ein Kreissymbol anklicken, und anschließend gibt es einen Audio-Einminüter von dort. Manchmal hört man nur leises Regenplätschern oder den Wind, der vom Meer die Küste hinaufzieht, hin und wieder läuft jemand vorbei, oft singen und zwitschern Vögel. Besonders dramatisch sind die Hörproben aus dem südamerikanischen Dschungel, bei denen man sich die Ohren zuhalten möchte. Und sich gar nicht vorstellen will, wie es wäre, in dieser Kakaophonie zu wandern. Besonderes Highlight: Die Tonprobe aus dem Monte Alegro Nationalpark im Norden Brasiliens. Nie klangen Brüllaffen bedrohlicher.
Bei tree.fm greift man auf das Audiomaterial von Sounds of the Forests zurück – und präsentiert die Aufnahmen in Endlosschleife plus schönem Foto, damit man den tönenden Wald auch sehen kann. Wenn man zwischenzeitlich kurz mal rüber ins Emailpostfach schaut und von dort dann zu Facebook oder Insta wandert, vergisst man ganz schnell, dass man noch immer von bolivianischen Staren bezirzt oder hawaiianischem Nieselregen betröpfelt wird. Beruhigend wirkt das trotzdem, irgendwo im Hintergrund, ganz sanft, ganz leise.
