Was passieren kann, wenn sich ein Land (oder eine Insel oder eine Stadt oder von mir aus auch ein Tal mit viel Schnee) in erster Linie auf den Tourismus als Einahmequelle verlässt und diese Quelle dann plötzlich versiegt – das erlebt in diesem Jahr ja die halbe Reisewelt. Und wenn man sich von einem einzigen Tier abhängig macht? Also: nicht von einer Tierart, sondern tatsächlich von einem einzelnen Tier?
Im irischen Dingle vermisst man einen Delfin. In über dreißig Jahren …
… hat sich in der kleinen Stadt im Südwesten Irlands eine respektable Industrie um einen Großen Tümmler namens Fungi herum entwickelt – und jetzt ist das Tier abgetaucht. Wurde nicht mehr gesehen. Seit über einer Woche. Ist noch nie passiert. Macht den Leuten Sorgen. Mindestens 13 Familien, schreibt die Irish Times, seien wirtschaftlich von dem Tier abhängig, weil sie Bootstouren anbieten oder Plüschdelfine verkaufen oder sonstwas. Und wenn die Leute vor Ort in Ruhe darüber nachdenken, kommen sie zum Schluss, dass es in Dingle eigentlich überhaupt keinen Tourismus gegeben hat, bevor der Delfin in den Achtziger Jahren auftauchte und seitdem mit beinahe beängstigender Zuverlässigkeit um die Ausflugsboote schwamm, aus dem Wasser sprang und die Touristen zur allgemeinen Begeisterung zurück zum Hafen von Dingle begleitete. Damals, 1983, war er von einem auf den anderen Tag da. So, wie er heute von einem auf den anderen verschwunden ist. Er habe müde ausgesehen, sagen die, die ihn vor über einer Woche zuletzt gesehen haben. Wie immer man das bei einem Delfin feststellt.
Vergangenes Jahr haben Forscher vermutet, Fungi sei mindestens vierzig Jahre alt. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Art liegt zwischen acht und siebzehn Jahren. Möglicherweise wäre es eine gute Idee, wenn die Leute in Dingle sich nach einer anderen touristischen Attraktion umschauen würden. So ganz allmählich.