Ein früher Nachmittag irgendwo im Delta des Mekong, auf einem von Palmen gesäumten Kanal, deren Wedel die Sonne filtern und Schatten wie Scherenschnitte auf das Wasser legen. Es ist heiß und es ist still, die Welt auf halber Geschwindigkeit, selbst die Vögel halten Mittagsschlaf. Bratengeruch schwängert die Luft, vermischt sich mit Dieselgestank und dem Duft von Räucherstäbchen. Graham Greene hat in …
… seinem Vietnam-Roman „Der stille Amerikaner“ geschrieben, man könne die Seele des großen Deltas nur dann verstehen, wenn man seine Städte hinter sich lasse und hinaus in die vielen namenlosen Kanäle fahre, aber damals waren Can Tho, My Tho und Chau Doc noch unbedeutende Käffer, die uns wahrscheinlich wie Oasen der Stille vorkommen würden. Heute ist der Übergang zwischen Stadt und Land wie der Eintritt von einer Zeitzone in die andere. Eine in sich ruhende Welt zieht da an den Ufern vorüber: Mädchen, die sich die Haare im Fluss waschen, meterweise glänzendes Schwarz im Sonnenlicht. Frauen mit traditionellen Bambushüten und Enten in Tragetaschen, Männer auf der Jagd nach Krebsen, eine Händlerin in einem Kahn, die mit einem schwebenden Singsang ihre Erzeugnisse anpreist: Momentaufnahmen eines Landes jenseits aller Hektik. Eines Landes der schaukelnden Hängematten und stillen Innenhöfe, in denen Reis in der Sonne getrocknet wird. Eines Landes der Stege und Brücken, von denen die schmalsten nur aus einem Palmstamm bestehen, an dem man ein Bambusrohr als Geländer angebracht hat. Eines Landes, in dem die Zeit an den Wasserhyazinthen auf den Kanälen gemessen wird: Wenn sie in die eine Richtung treiben, ist Flut; bewegen sie sich in die andere, ist Ebbe.
(Man müsste so etwas viel öfter machen: hinein in unbekannte Kanäle rudern. So lange, bis man vergessen hat, wo man eigentlich losgefahren ist.)